15 Fakultaet fuer Biologie (s. auch SFB 230) Die Fakultaet fuer Biologie gliedert sich in drei Institute. Zum Botanischen Institut gehoeren die Lehrstuehle Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie, Physiologische Oekologie der Pflanzen sowie Spezielle Botanik/Mykologie mit dem Botanischen Garten. Das Biologische Institut umfasst die Lehrstuehle Biokybernetik, Biomathematik, Allgemeine Genetik, Populationsgenetik, Mikrobielle Genetik und die mikrobiologischen Lehrstuehle Biotechnologie, Membranphysiologie und Antibiotika. Zum Zoologischen Institut zusammengeschlossen sind der Lehrstuhl Spezielle Zoologie mit der Zoologischen Schausammlung und einer Aussenstation am Federsee sowie der Abteilung Zellbiologie, der Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie sowie der Lehrstuhl Tierphysiologie mit den Abteilungen Neuropharmakologie, Physiologische Oekologie und Verhaltensphysiologie. Mit Ausnahme der Abteilung Verhaltensphysiologie und Neuropharmakologie, der Zoologischen Schausammlung sowie des groesseren Teils der Mikrobiellen Genetik sind diese Einrichtungen auf der Morgenstelle untergebracht. Dort befindet sich auch die Fakultaetsbibliothek. Seit dem Wintersemester 91/92 ist in der Fakultaet eine interdisziplinaere C4-Professur fuer Ethik in der Biologie angesiedelt. Die Fakultaet fuer Biologie ist mit den Tuebinger Max Planck-Instituten (Biologie, Biologische Kybernetik, Entwicklungsbiologie und Friedrich-Miescher-Laboratorium) sowie der Bundesforschungsanstalt fuer Viruskrankheiten der Tiere durch gemeinsame Lehrveranstaltungen und Forschungsvorhaben eng verbunden. Auch bestehen intensive fachliche Beziehungen zu den Fakultaeten fuer Chemie und Pharmazie, Physik, Informatik, zur Mathematischen Fakultaet, zur Geowissenschaftlichen Fakultaet und zur Medizinischen Fakultaet. Daraus ergibt sich in Tuebingen insgesamt ein anregendes wissenschaftliches Umfeld, das zahlreiche auswaertige Forscher, aber auch interessierte Studenten, Diplomanden und Doktoranden anzieht. BOTANISCHES INSTITUT Die Pflanzenphysiologie hat in Tuebingen eine lange Tradition. Sie beschaeftigt sich unter anderem mit der Aufklaerung der Wirkungsmechanismen pflanzlicher Wachstumsregulatoren und Phytohormone, mit der Untersuchung von Ionen-Transportmechanismen an Membranen der Zelle (unter anderem auch an denen der Mykorrhiza), ferner mit der Aufklaerung lichtgesteuerter Signalketten, welche in pflanzlichen Zellen bei der Veraenderung von Wachstum und Entwicklung eine Rolle spielen. Die Kontrolle und Regulation dieser Mechanismen durch zelleigene und aeussere Faktoren, aber auch ihre Beeinflussung durch toxische (Umwelt-)Verbindungen werden untersucht. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Aufklaerung von Struktur, Wirkungsmechanismus und der biologischen Bedeutung von Naturstoffen aus Hoeheren Pflanzen, wobei besonders Substanzen mit antibiotischen und insektiziden Wirkungen im Mittelpunkt stehen. Ferner werden Untersuchungen ueber die Biosynthese und Enzymatik von Naturstoffen in Zellkulturen und die enzymatischen Grundlagen fuer die Zellwandsynthese durchgefuehrt. Weitere Themen sind die Untersuchung von symbiontischen Zellorganellen (Blaualgen) innerhalb von Pflanzenzellen. Die Forschungsprojekte des neu eingerichteten Lehrstuhls fuer Physiologische Oekologie der Pflanzen haben Fragen der Baumphysiologie zum Gegenstand. Im Vordergrund steht dabei der Versuch einer ganzheitlichen Betrachtungsweise biochemischer Vorgaenge, vor allem unter dem Aspekt der Photoassimilatverteilung. Gaswechselmessungen an Blattorganen werden korreliert mit biochemischen Regulationsvorgaengen im Kohlenhydrat- und Energiestoffwechsel. Im Wurzelbereich liegt, eingebettet in das Graduiertenkolleg "Organismische Interaktionen", der Schwerpunkt auf der Charakterisierung der biochemischen Wechselwirkung zwischen den Partnern der Pilz-Baumwurzel-Symbiose (Ektomykorrhiza). Mittels hochsensitiver Analysenmethoden wird hier die symbiosebedingte Vernetzung des Protein-, Kohlenhydrat- und Aminosaeure-Stoffwechsels untersucht. Stammanalysen runden das Konzept ab. Hier sind besondere Vorgaenge der Assimilatverlagerung und der Differenzierung von Interesse. Die Projekte konzentrieren sich daher besonders auf die biochemische Analyse von Vorgaengen im Bereich des Kambiums und des Splint-Kernholz-Ueberganges. In allen Projekten werden in vitro- und Kammer-Experimente flankiert durch Freilanduntersuchungen zum Einfluss von Standortfaktoren (Mineral-/Stickstoff-Versorgung; Schadstoffe) auf die jeweiligen Parameter. Am Lehrstuhl Spezielle Botanik/Mykologie sind Forschungs- und Lehrprojekte verankert, die sich vergleichend mit organismischer Diversitaet und Interaktionen beschaeftigen. Entsprechend zaehlt auch die Vermittlung der Pflanzenkenntnis, sowie die Systematik der Niederen und Hoeheren Pflanzen und Pilze zum einschlaegigen Aufgabenbereich. Die organismische Kenntnis wird vorrangig zur Untersuchung funktionaler Zusammenhaenge in Waldoekosystemen, zur Klaerung zellulaerer Interaktionen zwischen Pilzen und Pflanzen und zur Bearbeitung systematischer Fragestellungen eingesetzt. Unter dem Ueberbegriff "Organismische Interaktionen in Waldoekosystemen" sind Freiland- und Laboruntersuchungen zur Struktur und Funktion von Pilz-Baumwurzel-Symbiosen (Mykorrhizen), von Parasiten (Rot- und Weissfaeuleerregern), wie auch von lange "verborgen im Inneren" der Baeume lebenden Endophyten zusammengefasst. Diese Arbeiten sind langfristig konzipiert und mit Projekten des Forstes koordiniert. So werden drei kuerzlich zu Bannwaeldern ausgewiesene Sturmwurfflaechen im Bereich der Forstdirektion Tuebingen pilzoekologisch als interdisziplinaere Projekte angewandter Oekologie untersucht. Die Diversitaet tropischer Pilze wird in drei koordinierten Vorhaben in Costa Rica studiert. Ein entsprechendes Programm hat sich aus einer Kooperation mit der Chung-Hsing-Universitaet in Taichung, Taiwan, entwickelt. Die Systematik der Basidiomyceten ist seit Jahren das zentrale Forschungsgebiet des Lehrstuhls. Besonders die Hauptparasitengruppen der Rost- und Brandpilze, diverser Verwandter, aber auch Hefen der Basidiomyceten und "Hoehere Pilze" werden weltweit und vergleichend morphologisch, ultrastrukturell sowie chemotaxonomisch untersucht. Die Feinstrukturuntersuchungen fuer systematische Fragestellungen und zur Thematik der "Organismischen Interaktionen" werden auch weiterhin zu den wichtigsten Forschungsthemen zaehlen. Ein weiterer Forschungsaspekt in der Speziellen Botanik sind karyosystematische Untersuchungen an Hoeheren Pflanzen, z. B. an Wildhafern, Iris- und Rauhblattgewaechsen. GEMEINSAME PROJEKTE Die Tuebinger botanischen Lehrstuehle haben bereits im Schwerpunkt "Pilz-Baumwurzel-Symbiose" des Landesforschungsfoerderungsprogramms erreicht, dass in der hiesigen Botanik ein Zentrum der Waldschadensforschung entstanden ist. Schwerpunkte der Umweltforschung sind insbesondere Untersuchungen zur Funktion und Vitalitaet von Waldbaeumen in Abhaengigkeit von der Veraenderung abiotischer Faktoren, wie Luftqualitaet, Bodenversauerung und Stickstoffeintrag, sowie organismischer Interaktionen, die sich durch Symbiosen positiv oder durch Parasitismus schaedigend auswirken. Zwischen den drei Lehrstuehlen "Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie", "Spezielle Botanik/Mykologie" und "Physiologische Oekologie der Pflanzen" besteht eine intensive Zusammenarbeit in verschiedenen Projekten, die sich mit umweltrelevanten Fragen in Waldoekosystemen befassen. Diese Projekte sind weitgehend drittmittelfinanziert durch DFG, BMFT, PEF und EG sowie durch Mittel von Ministerien der Landesregierung unterstuetzt. - Am Lehrstuhl "Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie" werden besonders Untersuchungen auf zellulaerer Ebene durchgefuehrt. Unter dem Aspekt "Organismus/Umwelt" kommt neben der Pigmentanalytik besonders membranphysiologischen und hormonellen Fragestellungen eine wichtige Funktion zu. - Eine Zentrale Aufgabenstellung fuer den Lehrstuhl "Physiologische Oekologie der Pflanzen" ist in der Erforschung der physiologisch-biochemischen Umsetzung von Aussenfaktoren (z. B. Klima, Naehr- und Schadstoffe) durch den Stoffwechsel von Pflanzen zu sehen. - Dem Lehrstuhl "Spezielle Botanik/Mykologie" kommen die Untersuchungen auf der Organismenebene und der Feldoekologie zu. Die Feinstrukturuntersuchungen zur Thematik der "Organismischen Interaktionen" besitzen hierbei einen besonderen Stellenwert. BIOLOGISCHES INSTITUT In der Biokybernetik wird an verschiedenen wirbellosen Tieren (Kaefer, Schmetterlinge, Wasserwanzen, Krebse) untersucht, wie sich Organismen in ihrer Umwelt orientieren. In Experimenten, in welchen eine vereinfachte und reproduzierbare Umwelt dargeboten wird, und mit Hilfe automatischer Datenerfassung und Auswertung gelangt man zu Aussagen ueber die neuronalen Mechanismen des Verhaltens. In der Biomathematik werden mathematische Modelle fuer biologische Vorgaenge entwickelt. Neben Arbeiten ueber Diffusion in Netzwerken und Nervennetzen, Parameteridentifikation, Theoretische Populationsgenetik, Dynamische Systeme, sind besonders Arbeiten zur nichtlinearen Demographie und zur Modellierung der Ausbreitung sexuell uebertragener Krankheiten sowie allgemein die Untersuchung strukturierter Populationen zu nennen. Es werden die fuer viele Gebiete der Naturwissenschaften wichtigen nichtlinearen Reaktions-Diffusionsgleichungen erforscht. Ein weiterer Schwerpunkt besteht im Bereich der Simulation und der rechnergesteuerten Methoden. Die Allgemeine Genetik befasst sich in ihrer Forschung mit der genetischen und molekularen Analyse, der Regulation und der Genexpression bei Pflanzen (in erster Linie). Es handelt sich dabei zum einen um die Hitzestressantwort, die zur Auspraegung von Thermotoleranz fuehrt und die u. a. mittels geeigneter gentechnischer Ansaetze in transgenen Tabak- und Arabidopsispflanzen untersucht wird. Genomorganisation und Transkription wird auch am Beispiel ribosomaler RNA Gene bei verschiedenen Pflanzenspezies untersucht. Diese und andere repetitive DNA (Satelliten DNA) werden zur Identifizierung von Arten und Sorten von Kulturpflanzen (Echinacea, Solanum) und Fusionshybriden benutzt. An tierischen Objekten wird die Struktur und Funktion von Genen und Proteinen/Enzymen bei der Eiablage der Muecken (Sciara) bzw. im Nukleinsaeurestoffwechsel (Saeuger) oder im myotonen Mausmuskel untersucht. Dabei werden genetische, zytogenetische und molekulare Methoden angewandt. In der Abteilung fuer Pflanzenvirologie werden hochempfindliche immunologische Methoden zum Nachweis pathogener Viren, Bakterien und Pilzen entwickelt bzw. zum Testen antiviraler Substanzen eingesetzt. In der Populationsgenetik wird am Beispiel der Arten der Drosophila obscura-Gruppe (Taufliegen) sowie Arten der Gattung Dolichopoda (Hoehlenschrecken) die molekulare Struktur sowie die Evolution hochrepititiver Satelliten-DNAs untersucht. Die innerartliche und zwischenartliche Variabilitaet der Mitochondrien-DNA bei Drosophila ist ebenfalls Gegenstand intensiver Untersuchungen. Weiterhin wird bei Drosophila subobscura eine mitochondrielle Verlust-Mutation molekulargenetisch analysiert. Aehnliche Mutationen sind beim Menschen als Ursache von Myopathien bekannt. In enger Zusammenarbeit mit dem Tuebinger Lehrstuhl fuer Tropenmedizin und Humanparasitologie werden molekulare Sonden entwickelt, mit deren Hilfe einzelne Larven von Onchocerca volvulus (Fadenwuermer), dem Erreger der "Flussblindheit", in der uebertragenden Muecke von Larven anderer Onchocerca-Arten unterschieden werden koennen. Derartige Sonden sind fuer die Kontrolle der Wirksamkeit von Bekaempfungsmassnahmen von entscheidender Bedeutung. In einer Computer-Simulation sollen die Bedingungen untersucht werden, unter denen freigesetzte Organismen sich in einem Oekosystem ausbreiten koennen. Die Ergebnisse sind fuer die Risikoabschaetzung bei der Freisetzung gentechnisch veraenderter Organismen wichtig. Die Mikrobiologie ist mit vier Lehrstuehlen in einer thematischen Breite und methodischen Vielfalt wie sonst an keiner deutschen Universitaet vertreten. Drei der Lehrstuehle bilden den Kern des Sonderforschungsbereichs 323 "Mikrobielle Grundlagen der Biotechnologie, insbesondere prokaryontische Stoffe mit Wirkung auf Eukaryonten". Der vierte Lehrstuhl steht zur Wiederbesetzung an. Der/die Stelleninhaber/in soll sich dem Sonderforschungsbereich 323 anschliessen. Die Mikrobielle Genetik stellt ein Bindeglied zwischen Mikrobiologie und Genetik dar. Schwerpunkte der Forschung sind genetische und biochemische Studien zur Biosynthese von Antibiotika bei Streptomyceten und Staphylokokken, die Regulation der Genexpression, der Proteintransport bei Staphylokokken und Untersuchungen zur Stabilitaet und Mobilitaet von Plasmidvektoren. Die Mikrobiologie/Biotechnologie bearbeitet die Faehigkeit anaerober Bakterien und Organismengemeinschaften zum Abbau organischer Verbindungen, die Energetik und Enzymologie der Schluesselreaktionen, ihre oekologische Bedeutung sowie ihre moegliche Anwendung bei der Beseitigung problematischer Abfaelle und zur Synthese ungewoehnlicher neuer Metabolite. Weiterhin werden der Transport und die Speicherung von Eisen in Pilzen und Bakterien sowie die Funktionen von Hopanoiden in Membranen untersucht. Der Lehrstuhl wird demnaechst neu besetzt. Die Mikrobiologie/Membranphysiologie studiert die molekularen Mechanismen Rezeptor-abhaengiger Aufnahmesysteme fuer Eisen und toxische Proteine, die Synthese, Wirkungsweise und den Export von Toxinen, sowie die Rolle der Eisenversorgung fuer die Virulenz Gram-negativer Bakterien. Die Mikrobiologie/Antibiotika untersucht den mikrobiellen Sekundaerstoffwechsel mit dem Ziel, seine Vielfalt und Bedeutung zu erfassen und die Produkte auf ihre biologische Aktivitaet und Anwendung in der Pharmazie und im Pflanzenschutz zu pruefen. In dem 1986 eingerichteten Sonderforschungsbereich 323 (Mikrobiologische Grundlagen der Biotechnologie) fanden sich Arbeitsgruppen aus der Mikrobiologie, der Mikrobiellen Genetik, der Biochemie, der Organischen Chemie, der Pharmazeutischen Chemie und der Infektionsbiologie der Universitaet Tuebingen zusammen. Diese Gruppen verfolgen das gemeinsame Ziel, die enormen biosynthetischen Faehigkeiten der Mikroorganismen zu nutzen, um neuartige biologisch aktive Naturstoffe zu gewinnen. Mit neu entwickelten Testsystemen werden Produzenten unbekannter Substanzen gesucht, die Zellen unter kontrollierten Bedingungen fermentiert, die Produkte isoliert, ihre Struktur aufgeklaert und ihre Wirkungsweise und Biosynthese untersucht. Dabei handelt es sich um hoch- und niedermolekulare Produkte. Schwerpunkte der Forschung sind Antibiotika, und hier vor allem Nikkomycine, Lantibiotika, Eisenkomplexverbindungen und ihr Transport, die Sekretion von Proteinen aus Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien, die Reizverarbeitung von Paramecien, Naturstoffanalytik und -synthese. Als Testsystem fuer die Untersuchung der Wirkungsweisen dienen Zellen (Bakterien, Pilze, neuronale Zellinien und Paramecien), Rezeptoren, Ionenkanaele, neuronale Signaltransduktionsketten und Enzyme aus diesen Zellen. In diesem Zusammenhang stehen auch Untersuchungen zu den spezifischen Wechselwirkungen zwischen Pro- und Eukaryonten (Adhaesion, Invasion, Toxinwirkung). Der Sonderforschungsbereich 323 wurde 1991 mit 3 161 800 DM gefoerdert. ZOOLOGISCHES INSTITUT Die Spezielle Zoologie befasst sich vorwiegend mit der vergleichenden und funktionellen Morphologie sowie der phylogenetischen Systematik ausgewaehlter Tiergruppen. Dabei wird der ontogenetischen Entwicklung besondere Beachtung geschenkt. Wie bisher bildet das Studium von Protisten einen Schwerpunkt der Untersuchungen; seit 1987 werden auch mehrere Wirbeltiergruppen bearbeitet. Die konstruktionsmorphologischen Untersuchungen zur Ontogenese des Wirbeltier-Schaedels sind z. T. in den SFB 230 "Natuerliche Konstruktionen - Leichtbau in Architektur und Natur" eingebunden. Weitere Arbeitsgebiete sind die Morphologie und Systematik der Arthropoden und Mollusken. Die faunistisch-oekologischen Untersuchungen im Naturschutzgebiet Federsee wurden in erweitertem Umfang (mit Unterstuetzung des Ministeriums fuer Umwelt und des Ministeriums fuer Landwirtschaft und Forsten) fortgesetzt. Die Zellbiologie untersucht bei tierischen Einzellern (Ciliaten) die Organisation des Genoms sowie die Struktur und Steuerung verschiedener Gene (z. B. fuer Tubulin, Calmodulin). Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Analyse der Verwandtschaftsverhaeltnisse von Ciliaten und von niederen Vielzellern anhand unterschiedlicher molekularer Merkmale (z. B. DNA-Sequenzanalyse). In der Entwicklungsphysiologie werden Probleme der Fortpflanzung und Entwicklung bei Insekten, vor allem bei Bienen, untersucht. Analysiert wird beispielsweise die Wirkung von Hormonen und Neuropeptiden bei kastenspezifischen Prozessen wie der Morphogenese, der Regulation von Organfunktionen und der Fertilitaetskontrolle. Die Zusammensetzung von Pheromonen und ihre Funktionen bei der Paarung und der Koeniginnen-Dominanz in Kolonien sozialer Bienen sind chemisch-oekologische Aspekte, die auch bei Untersuchungen der Parasit-Wirt-Beziehung in der Varroatose von Honigbienen sowie bei Kuckucksbienen verfolgt werden. Mit molekularbiologischen Ansaetzen wird ueber die Struktur des Honigbienen-Vitellogenins und die Kasten- und Geschlechts-spezifische Vitellogenin-Synthese gearbeitet. Das Interesse der Tierphysiologie gilt der Aufklaerung der neuralen Mechanismen des Verhaltens von Wirbeltieren an den Beispielen der Echoortung von Fledermaeusen, der akustisch ausloesbaren Verhaltensreaktionen von Ratten, des Jagd- und Fressverhalten von Frettchen, der Tagesperiodik von Affen und der Schreckreaktion von Fischen. Die Neuropharmakologie arbeitet verhaltenspharmakologisch und neurochemisch an der Ratte. Es wird untersucht, in welcher Weise Uebertraegersubstanzen des Gehirnes an der Steuerung von Verhalten beteiligt sind. Damit soll ein Beitrag zum Verstaendnis und zur Therapie von Erkrankungen des menschlichen Gehirns geleistet werden. In der Abteilung Physiologische Oekologie werden Auswirkungen von Umweltchemikalien auf Nicht-Zielorganismen untersucht. Der Schwerpunkt liegt bei den toxischen Auswirkungen von Dioxinen auf die Fortpflanzung der Fische (Forschungsschwerpunkt Oekotoxikologie). Mehrere limnologische Arbeiten erstrecken sich auf Fliessgewaesser und Baggerseen im Raum Tuebingen-Schoenbuch. Untersuchungen zum Arten- und Biotopschutz wurden im Naturpark Schoenbuch durchgefuehrt. Eine zweite landesweite Kartierung der Fledermausbestaende konnte abgeschlossen werden. Im Bereich der experimentellen Oekologie wurden Anpassungsmechanismen von Saeugetieren (Bereich Fortpflanzung) an extreme Umweltbedingungen erforscht. Die Verhaltensphysiologie erforscht das Orientierungs- und Navigations-Verhalten von Voegeln und wandernden Schmetterlingen, z. T. in Nord- und Suedamerika, arbeitet an verhaltensoekologischen Fragen bei Insekten, Fischen und Voegeln sowie an Lemuren und Tanreks in Madagaskar. In Suedbrasilien wurde 1988 die Tuebinger Biologische Forschungsstation an der PUC-Universitaet in Porto Alegre eroeffnet. In Zusammenarbeit mit dortigen Arbeitsgruppen werden tropenbiologische Probleme untersucht. Dazu gehoeren die Reproduktion von Wildbienen, ihre coevolutiven Beziehungen zu Bluetenpflanzen, Trachtnutzung und Bestaeubung durch stachellose Bienen im Regenwald, Raeuber-Beute-Chemokommunikation bei sozialparasitischen stachellosen Bienen und tiergeographisch-oekologische Fragen in der Uebergangszone der Neotropen in gemaessigte Klimate. Mit der Tuebinger Aussenstation verfuegt erstmals eine deutsche Universitaet ueber eigene Labors an einer lateinamerikanischen Universitaet innerhalb der Tropen. Sie werden fuer Forschung und Lehre, u. a. fuer tropenbiologische Exkursionen, intensiv genutzt. Arbeitsgruppen aus der Tierphysiologie, der Verhaltensphysiologie, der Neuropharmakologie und der Biokybernetik bilden einen wesentlichen Bestandteil des faecheruebergreifenden Sonderforschungsbereichs 307 "Neurobiologische Aspekte des Verhaltens und seiner pathologischen Abweichungen". Der SFB verfolgt das Ziel, durch Zusammenarbeit von Gruppen aus der Neurobiologie, Psychiatrie, Psychologie, Biologie und aus dem Max Planck-Institut fuer biologische Kybernetik, die Prinzipien der neuralen Organisation von Verhalten bei gesunden und kranken Menschen sowie bei Tieren zu erforschen. Je nach Thematik stehen verhaltensphysiologische, psychologische, neurophysiologische, neuroanatomische, pharmakologische oder systemtheoretische Methoden im Vordergrund. Die C4-Gastprofessur "Ethik in der Biologie" befasst sich mit den Normen oekologischer Ethik mit dem Ziel, nachvollziehbare, in eine kohaerentistische Epistemologie einbettbare Kriterien oekologischer Ethik zu entwickeln. Sie setzt sich auch mit Problemen der strukturellen Rationalitaet auseinander. Die verstaerkte Anwendung molekularbiologischer Arbeitstechniken in der Biologie hat in den letzten Jahren eine Kostenexplosion verursacht. Die Forschung musste deshalb in staendig steigendem Masse durch Drittmittel getragen werden. Manche Projekte werden zu 90% aus Drittmitteln finanziert. In vielen Bereichen waere eine ordnungsgemaesse Lehre ohne Drittmittel nicht moeglich. 1991 standen der Fakultaet 5 385 407 DM an Drittmitteln zur Verfuegung. Es zeichnet sich ab, dass aufgrund des Nachholbedarfs in den neuen Bundeslaendern mit einem Rueckgang dieser Mittel gerechnet werden muss. Die Luecken im regulaeren Etat werden dann sichtbar werden. Ein nach wie vor gravierendes Problem ist der Ersatz veralteter oder abgenutzter Geraete. Durch den starken Technologieschub in der Mess- und Analysentechnik und durch veraenderte Fragestellungen in der Forschung sind aeltere Geraete oft nicht mehr einsetzbar. Die dringend erforderliche Ersatzbeschaffung kann aus dem regulaeren Etat nicht geleistet werden. Eine unzureichende Grundausstattung macht die Beschaffung weiterer Drittmittel oftmals unmoeglich. Der Trend zu mehr internationaler Verbundforschung in immer groesseren Komplexen, vor allem innerhalb der EG, setzt sich fort. Das geringe Volumen der Mittel fuer Reisebeihilfen erschwert die dazu erforderlichen Kontakte. Auch die schlechte raeumliche Situation der Fakultaet behindert die Forschung. Fuer die biotechnologisch ausgerichteten Arbeitsgruppen und die Tierhaltung muessen bessere Bedingungen geschaffen werden. Die Unterbringung der Verhaltensphysiologie, Neuropharmakologie und Mikrobiellen Genetik im Bereich der Morgenstelle kann nicht laenger aufgeschoben werden. Weitere Laborflaechen sind dringend notwendig, um der sich weltweit abzeichnenden Expansion der Biologie Rechnung zu tragen. Die Etablierung neuer Forschungsgebiete (z. B. der Entwicklungsgenetik) muss ermoeglicht werden. Durch Auslagerung von Arbeitsgruppen in das im Bau befindliche Verfuegungsgebaeude erhofft sich die Fakultaet eine Verbesserung der Raumsituation. Die Fakultaet hat im WS 1992/93 1476 eingeschriebene Studenten (ohne Doktoranden), davon studieren 1186 im Diplom-Studiengang. Um den vielen Diplombiologen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuraeumen, bedarf es einer anspruchsvollen Ausbildung. Die Vermittlung molekularbiologischer Arbeitstechniken sowie der Einsatz moderner Geraete in der Lehre sind unerlaesslich. Verursacht durch die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt streben ausserdem immer mehr Absolventen die Promotion an. Die Zahl der Promotionen ist seit 1987 von 50 pro Jahr auf 86 im Studienjahr 1991/92 angestiegen. Durch die Einrichtung der Graduiertenkollegs "Neurobiologie", "Mikrobiologie" und "Organismische Interaktionen in Waldoekosystemen" konnte die schlechte Situation bei der Promotionsfoerderung verbessert werden und den Doktoranden waehrend der Promotionsphase eine zusaetzliche fachspezifische Ausbildung angeboten werden. Im Berichtszeitraum wurden von Mitgliedern der Fakultaet folgende Kongresse und Symposien organisiert: 84. Jahresversammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, 20. 5. -25. 5. 1991, Zoologisches Institut 9. Wissenschaftliche Tagung der Gesellschaft fuer Entwicklungsbiologie, 13. 3. -16. 3. 1991, Biologisches Institut und Max Planck-Institut fuer Entwicklungsbiologie Symposium "Biologie Sozialer Insekten", Mai 1992, Blaubeuren Jahrestagung der Gesellschaft fuer Genetik vom 27. 9. -30. 9. 1992, Biologisches Institut Tuebinger Gespraeche zur Chemie von Mikroorganismen, Herbst 1990, 1992, 1993, SFB 323 INSERM/NJH-Konference ueber "Antisense Oligonucleotides and Ribonucleases H", 27. 9. -2. 10. 1992, Arcachon, Frankreich, Biologisches Institut und Universitaet Bordeaux